„Unseren Dörfer Zukunft geben“ – so lautete das Thema eines Fachtages in Meiningen. Dabei ging es um Zahlen, Ideen, Strategien und gute Beispiele.
Das Landratsamt Schmalkalden-Meiningen und die Landeszentrale für politische Bildung hatten den Fachtag gemeinsam organsiert. Mit im Boot war dabei u.a. auch die Regionale Aktionsgruppe (RAG) LEADER Henneberger Land e.V. Analysiert wurden in Meiningen die Herausforderungen für die Infrastruktur in Zeiten des demografischen Wandels. Dabei ging es nicht nur um baulich-technische Voraussetzungen. Schließlich macht das Leben auf dem Lande noch weit mehr aus als intakte Straßen, Busanbindung und Einkaufsmöglichkeiten. Vorgestellt wurden auch nachahmenswerte Beispiele, die mit Unterstützung der Regionalen Aktionsgruppe (RAG) LEADER „Henneberger Land“ e.V. umgesetzt wurden. Schmalkaldens Bürgermeister Thomas Kaminski berichtete über das KIBIZE-Stadt-Land-Kinder-Bildungszentrum im Ortsteil Asbach. Hier zieht ab Januar in ein altes Schulgebäude, das etliche Jahre leer stand, wieder neues Lebens ein. Eine Schule in freier Trägerschaft und ein Kindergarten sind hier ab 2017 zu Hause. Der Gebäudekomplex ist grundlegend saniert und umgebaut worden. Mädchen und Jungen vom ersten bis zum zehnten Lebensjahr werden hier gemeinsam unter einem Dach sein. Aus Sicht von Kaminski sei das in Zeiten, da es die Großfamilie nicht mehr gebe, wichtig. „Die Großen und Kleinen können bestimmte Projekte gemeinsam umsetzen.“ Möglich wurde das Vorhaben nur, genau weil es diese Kombination gibt. Funktionsräume wie Speisesaal, Küche oder Bibliothek werden gemeinsam genutzt. „So haben wir wieder kindliches Leben ins Dorf gebracht“, erläuterte Kaminski. Wenn es früher eine Rentnerweihnachtsfeier im Ort gab, so hätten sich die Senioren mit dem Männergesangsverein quasi selbst vorgesungen. Künftig seien aber nun wieder Kinder da. Insgesamt wurden 2,5 Millionen Euro investiert. Durch die RAG LEADER „Henneberger Land“ e.V. wurden über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) 500.000 Euro ausgereicht. Doch auch Mittel aus dem Städtebauprogramm konnten greifen. Eine Doppelförderung gab es jedoch nicht, weil Sanierung und Umbau von Alt- und Neubau jeweils wie Einzelobjekte getrennt beantragt und gefördert wurden. Auch diese Erfahrung konnte während des Fachtages vermittelt werden. Über eine gezielte Verknüpfung von Programmen ist vieles möglich.
Gute Erfahrungen gibt es auch in Sülzfeld. Dort hatte LEADER die Errichtung eines Kletterzentrums im dortigen Kirchturm mit rund 39.000 Euro unterstützt – ein besonderes Angebot der Region, das seinesgleichen sucht. Betrieben wird die Anlage über die Meininger Sektion des Alpenvereins. Vorsitzender Gunter Ungerecht konstatierte, dass es seither mehr Eintritte von Kindern und Jugendlichen gebe. Von den 450 Mitgliedern sind 50- bis 60 im Kinder- und Jugendalter.
Zu den jüngsten Beispielen gehört auch ein ehemaliger Kuhstall in Untermaßfeld, der dank LEADER und einer Zuwendung in Höhe von 9700 Euro in diesem Sommer umgestaltet wurde. Neues Leben zog so in ein altes, leer stehendes Gemäuer auf dem Lande ein. Seither stehen immer wieder Veranstaltungen an – gerade für die Umweltbildung. Einbezogen werden zudem auch Flüchtlingsfamilien. Doch Mundartnachmittage oder „Kino to go“ gab es ebenso schon im Kuhstall, der somit für alle ein Gewinn ist, erklärte Birgit Henkel vom BUND Kreisverband Schmalkalden-Meiningen. Aus Sicht von LEADER sind dies alles Beispiele, die mit helfen, das Leben auf dem Lande lebenswert zu machen.
Auch in den Vorträgen ging es um die gesamte Thematik. Mareike Popp von der Hochschule Coburg referierte über die soziale Infrastruktur im ländlichen Raum, Prof. Dr. Gerhard Henkel zum Wandel des Dorfes insgesamt. Knut Rommel, der Leiter des Meininger Amtes für Landentwicklung und Flurneuordnung, zeigte die aktuellen Möglichkeiten der Dorferneuerung in Thüringen auf. Franziska Dahm und Kerstin John vom Meininger Landratsamt erörterten die Teilhabe älterer Einwohner vor dem Hintergrund der Altersarmut. Und Dr. Friedrich-Wilhelm Meyer vom Gebit-Institut Münster stellte am Beispiel der Jugendhilfe dar, wie statistische Daten für die Praxis nutzbar gemacht werden können.
Von Seiten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen wurde aufgezeigt, welche Aufgaben und Mehrwert die Sozialplanung inzwischen hat. Sie gilt für einzelne Regionen als wichtige Grundlage für Entscheidungen und Empfehlungen. Kleinräumige Darstellungen machen dies möglich. Und so forderte die Tagung dazu auf, auf Datengrundlangen mehr als bislang zurückzugreifen und diese zu nutzen. Auch die drohende Altersarmut spielte eine Rolle. Hierbei ging es vor allem darum, diese nicht nur auf künftig weniger Geld im Portemonnaie zu reduzieren. Um Senioren auf dem Lande am Leben teilhaben zu lassen gehört weit mehr dazu – so die Botschaft. Und so wurde auch der Begriff „Lebenswert“ an vielen Punkten festgemacht. Das beginnt bei den Möglichkeiten, gut zu wohnen und zu leben bis hin zu Bildungschancen und Gemeinschaft. Der Vereinsarbeit und dem Zusammenhalt im Ort kommt eine immens wichtige Rolle zu. Während des Fachtages wurde immer wieder angemahnt, vernetzt zu denken, über den Kirchturm hinaus zu schauen und die Erfahrungen der Bürger einzubeziehen. „Das ist genau der Ansatz, der auch durch LEADER vermittelt wird“, sagte Johannes Schmidt, der Vorsitzende der Regionalen Aktionsgruppe Henneberger Land. „Wir müssen so viele Leute wie möglich mitnehmen“, sagte er und verwies auf „extrem aktive und engagierte Menschen“. Das sei ein ungeheures Potential. Die Initiative „Dörfer in Aktion“ gilt Schmidt zufolge dabei als gelungenste Aktion der letzten Jahre überhaupt. Mit einem Sachkostenzuschuss von maximal 3000 Euro pro Projekt sei hier viel bewegt worden, denn hier war zudem viel Einsatz der Antragsteller selbst gefragt. Das Geld war Motivationsschub und setzte viel Energie frei.
Von 2008 bis 2013 konnten insgesamt mit Hilfe der RAG „Henneberger Land“ Fördergelder in Höhe von 11,4 Millionen Euro in die Region geholt werden. Setzt man dazu die Beiträge der Vereinsmitglieder in dieser Zeit ins Verhältnis, so floss das 70fache an finanzieller Unterstützung in die Region. Damit konnten immerhin Gesamtinvestitionen von rund 20 Millionen Euro im Landkreis Schmalkalden-Meiningen und den ländlich geprägten Ortsteilen von Suhl, die zur RAG „Henneberger Land“ gehören, ausgelöst werden. Inzwischen hat die neue Förderperiode längst begonnen. Die neue Regionale Entwicklungsstrategie wird umgesetzt. Bis Ende Oktober 2016 konnten neue Vorhaben zur Förderung eingereicht werden.
Vorträge und Informationsmaterial von diesem Fachtag können bei Kerstin John vom Landratsamt Schmalkalden-Meiningen (03693/485 541; E-Mail: kerstin.john@lra-sm.thueringen.de) angefordert werden.
Kontakt: RAG LEADER “Henneberger Land” e.V.
RAG-Geschäftsstelle
Rippershäuser Straße 16
D-98639 Rippershausen
T +49 (0) 3693 5050-821 (Do 10-14 Uhr)
T +49 (0) 3643 863126
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